Vamos
Madrid–Estremera
92,8 km, 20,1 km/h, gut 700 hm,
Wechselnd bewölkt, angenehm warm, recht windig (oft Rückenwind)
Ich kann nicht anders: immer nervös, bevor es dann so wirklich wirklich losgeht. Und so ziehe ich den Morgen ein bisschen in längere Länge, als es eigentlich gut ist. Im Kaffee um gefühlte drei Ecken rum gibts ein Tostada mit Tomatenpürée, Olivenöl und Jamón de Serrano und einen dieser Sumo Narancia – frisch gepresst und einfach gut. Und weil es noch nicht zu spät ist für die Abfahrt noch Kafi und Gipfeli. Endlich, nun ist es wirklich zu spät, mache ich mich noch auf die Suche nach einem Supermarkt, um ein bisschen Proviant einzukaufen. Das Wetter gibt sich ja heute ausgesprochen picknickfreundlich, und obwohl ich einige Spanienerfahrung habe von der Reise mit Dagi, weiss ich nicht, wie es in dieser Gegend so tut.
Ziemlich genau um elf starte ich das Navi auf dem Handy und pedale dann zuerst gezielt in das falsche Gässchen – natürlich zum Testen. Dann nochmals: um das erste Resultat zu validieren – ist ja klar. Und dann doch noch in das richtige. Der Weg durch Madrid geht dann auch ganz prima, auch wenn mich Komoot, dieses sonst ganz nette Teil, ein paarmal in Einbahnstrassen und Fussgängerzonen führt – das waren aber keine Tests. Aber ich gebe zu: Zwei, drei weitere Versuchsanordnungen müssen es dann schon noch sein, um den Weg aus Madrid heraus zu finden.
Bald bin ich auf einer formidablen Veloroute, die ich mit einigen Joggern und anderen Velölern teile, durch die Suburbs und die Industriequartiere. Vorbei an der Kläranlage, vorbei an Einfalls- respektive Ausfallachsen und einfallslosen Gebäuden zum Ausfälligwerden. Und auf einmal ist man auf dem Land. Die Vegetation ist meist sehr spärlich, allzu viel Wasser ist da nicht im Boden, und die Pflanzenwelt macht daraus, was sie kann.
Irgendwann geht der Asphalt aus, und ich radle auf einer recht staubigen Piste entlang des Rio Manzanares, eine Riesenbaustelle durchquere ich – ich nehme an, da werden zusätzliche Bahngleise gebaut –, und bald ist für ein paar Kilometer Single Track (nicht Road, sondern Path; im Deutsch auch oft schmaler Weg genannt) angesagt, inklusive einigen Sumpflöchern. Durch die getraue ich mich nicht, aus Angst stecken zu bleiben.
In Rivas Vaciamadrid verdrücke ich meinen Lunch, und das Strassencafé lädt zu Eistee und einem . . . logisch: Kaffee ein. Nachher folge ich einer Via Verde, die nach zwanzig Kilometer nahtlos in eine mit anderem Namen übergeht. Via verde, so nennen sich die spanischen Radrouten, die oft auf alten Bahntrassées verlaufen. Ich glaube mich zu erinnern, dass die erste der beiden mal eine Linie für den Transport von Kohle war, was mir vor allem darum in den Sinn kommt, weil ich an einem Braunkohlebergwerk vorbeigekommen bin. Die Via Verde de Tajuna ist sehr angenehm zu fahren, die Steigungen sind moderat, der Belag ist gut, und wenn es mal steiler wird, dann wohl nur darum, weil die frühere Bahnstrecke wohl anderen Dingen Platz machen musste. So langsam kommt auch WInd auf, die Prognosen sagen auch Regen voraus auf die Nacht von Westen her. Trifft sich gut fürs Vorwärtskommen, deswegen (angesagter Regen) und trotzdem (Rückenwind) beschliesse ich, ab Tageskilometer 75 nach einer Unterkunft Ausschau zu halten. Das Städtchen bei Kilometer 80 lasse ich dann aber doch noch übermütig sprichwörtlich und im übertragenen Sinn links liegen. Dass es grad danach die meisten Höhenmeter gab, hätte nicht sein müssen, gehört aber wohl in die Sparte Murphy’s Law (danke aber, Mr Murphy, für den Rückenwind). Immerhin ging’s dann auch wieder schön runter nach Estremera, ein kleines, verschlafenes Dorf, das sich in der Mitte so ein bisschen als Stadt aufspielt mit einer grossen Kirche und einem Rathaus, das fast wie ein alter Bahnhof aussieht.
Bin also gut untergekommen, kann meine Siebensachen laden und habe auch etwas Znacht gekriegt. Aber um neun macht die Stadt hier dicht. Weiss der Teufel. In Madrid waren die Bars leer vor zehn Uhr.
Und: Es regnet tatsächlich! In Spanien. Also sowas!
Wenn ich morgen etwa gleich weit komme, bin ich happy. Und da werde ich dann wohl zwei Nächte bleiben - ausspannen, und schon wieder arbeiten am Freitagnachmittag.
Was sich mir indes noch nicht ganz erschliesst, ist Folgendes:
Warum sind diese Radrouten, die sich so schön mit Vias Verdes bezeichnen, mit rot eingefärbtem Asphalt gebaut worden?
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