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Tag 20, 21. Juli. Le tour de la Garonne – la suite

Tag 20, 21. Juli. Le tour de la Garonne – la suite

​Alter Traubensaft in hässlichen Röhren und alte Verkehrswege in neuen Schläuchen

​Route: Bordeaux–Créon–Sauveterre–La Réole–Lagruère  ​Wetter: bedeckt ​Wind: nada
​Tageskilometer: 116,7
​Zeit: 68:48
​​Geschwindigkeit: 23,3

Adieu Bordeaux, heisst es am Morgen. Zu vernünftiger Zeit ist das Velo beladen, und ich mache meinen gestern gefassten Entschluss wahr: noch für einen Kaffee ins Zentrum zu fahren, der Garonne-Promenade entlang. Das mit dem Kaffee ist ja nicht wirklich eine Überraschung, oder? Und das mit der Garonne-Promenade liegt halt irgendwie auf der Hand, da es der einfachste Weg ist, auf Rädern ins Zentrum zu gelangen. Abgesehen davon muss ich mich mit diesem Fluss einfach im Reinen sein, werde ich ihm doch mindestens noch zwei Tage folgen.

Die Ausfahrt aus Bordeaux ist fast ein bisschen zu einfach. Zu schnell lasse ich die schöne Stadt hinter mir. Über die Brücke, ein bisschen flussaufwärts, und draussen bin ich. Auf dem Land, ich durchquere noch ein paar kleine Vororte, die man aber auf der Piste cyclable nur en passant mitbekommt, indem man umständlich um ein paar Kreisel geführt wird.

Der Veloweg biegt bald ab vom Flusslauf. Ein ehemaliges Bahntrassee führt mich durch Buschschluchten, unter kleinen Brücken hindurch und durch Tunnels fast ohne Steigungen und Gefälle in langgezogenen Kurven von Städtchen und Dörfern zu Dörfern und Städtchen, vorbei an den ehemaligen Bahnhöfen, von denen noch Überreste von Perron und Infrastrukturbauten zu sehen sind, meist überwuchert. Das Mani-Matter-Lied vom Bahnhof, wo der Zug gäng scho abfahre isch, kommt mir in den Sinn, aber nur so halbwegs. Weil hier ist schon lange kein Zug mehr abgefahren.

Nach knapp vierzig Kilometern, in Créon, gönne ich mir die erste Pause. Staunt noch jemand, dass das vor allem daraus bestand, das Café vis-à-vis der Mairie aufzusuchen? Aufgeputscht für die nächsten zwanzig Kilometer fahre ich meinem Mittagshalt in Sauveterre de Gayonne entgegen. Dort hat der Supermarkt aber schon mittagsdicht, und so genehmige ich mir ein Sandwich aus der Patisserie um die Ecke. 

Bis dahin musste ich fast nie mein iPad für die Route belästigen, aber jetzt wurde es ein bisschen tricky. Obwohl auf der Karte ganz deutlich ein Veloweg eingetragen ist, ist die Beschilderung sehr spärlich. Ich bin sozusagen im Piste-cyclable-Gap gelandet.

Weinstaudenmonokulturen ohne Ende ziehen sich über die Hügel hinweg, und die Chateaux, die auf der Flaschenetikette meistens in so einem hübschen Stich festgehalten sind, stehen meist neben nicht gar so hübschen Fabriken mit vielen rostigen Stahlbehältern und grusligen Röhrensystemen, in denen man irgendwelche schauderlichen Chemikalien wähnt. So viel zu Appellation controlé und dem ganzen schöngeistigen Gefasel von Ehrlichkeit, Abgängen, Nasen, Zungen, Noten von irgendwelchen dahinfantasierten Waldbeeren. Leute, Wein ist ein ähnliches Business wie Bier, Cola oder Wasser in hübsche Behältnisse abgefüllt und mit Kohlensäure versetzt und zu überhöhten Preisen verkauft. Nur ist die Etikette hübscher. Ich habe den Whisky vergessen . . . So, das bin ich jetzt mal losgeworden. 

Weiter geht es es über viele kleine Auf und Abs wieder der Garonne deren Lauf ich in La Réole wieder einfädelte. Zur Belohnung . . . einen Kaffee. Zuerst führt der Weg ein bisschen dem Fluss entlang, zweigt aber bald ab zum Canal Latéral de la Garonne. Da geht es wie beim alten Bahntrassee ziemlich flach zu und her, manchmal eine kecke Steigung, die man benutzen kann zum Bremsen, ohne zu bremsen, bevor man über die Brücke auf die andere Kanalseite wechseln muss. Ein entspanntes Dahinpedalieren ist garantiert, Verkehr hat es keinen, ein paar Spazierende und ein paar entgegenkommende Velos, damit hat sichs. Die wenigen Schleusen haben auch nicht viel Hub. 

Altes Bahntrassee, ein Kanal. Wohl beides früher wichtige Verkehrswege. Heute wären sie unbedeutend ohne den Tourismus. Nimmt mich Wunder, wie viele Tonnen rostigen Stahl sie vor dem Bau der Veloroute wegrupfen mussten oder wie viel der Unterhalt eines Kanals kostet. Schön, darf ich das Ergebnis davon nutzen.

Und jetzt bin ich auf einem winzigen Campingplatz in der Nähe von Lagruère, Les Bernes, gelandet, grad am Kanal, mit hoffentlich nicht allzu vielen Mücken. Das Essen war viel. Vor allem viel Fleisch. Morgen muss ich glaub einen Vegetariertag einlegen, um das wieder einigermassen ins Gleichgewicht zu bringen. Dummerweise horte ich seit La Réole eine Packung Pfeffersalami in meiner Velotasche.

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Tag 21, 22. Juli. Froh
Tag 18, 19. Juli. C'est easy-going à Bordeaux
 

Kommentare 2

Gäste - Fabian am Donnerstag, 21. Juli 2016 21:33

Mmmmh Fleisch

Mmmmh Fleisch :D
Gäste - Harald am Freitag, 22. Juli 2016 13:27

Didius,
Du sprichst mir aus dem Herzen, was das Geschiss betrifft, der mit dem Wein veranstaltet wird, vor allem in Restaurants. Flasche auf den Tisch, und fertig, würde genügen.
Gerne weiter so ausführlich - ich lese gerne mit, auch wenn ich kaum kommentiere...
Gruss aus der Redaktion!
Haraldius

Didius, Du sprichst mir aus dem Herzen, was das Geschiss betrifft, der mit dem Wein veranstaltet wird, vor allem in Restaurants. Flasche auf den Tisch, und fertig, würde genügen. Gerne weiter so ausführlich - ich lese gerne mit, auch wenn ich kaum kommentiere... Gruss aus der Redaktion! Haraldius
Freitag, 10. Mai 2024

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