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Tag 15, 16. Juli. Memory

Tag 15, 16. Juli. Memory

​Anspruchslos und doch nicht

​Route: Biarritz–Bayonne–Capbreton–Léon–Vielle-St. Giroms Plage ​Wetter: schön und heiss ​Wind: nordwest
​Tageskilometer: 92,7
​Zeit: 55:08
​​Geschwindigkeit: 21,4

Anspruchslos war sie, die heutige Strecke. Flach rollte ich dahin, durch die Dörfer und Städtchen. Die einzige wirkliche Herausforderung war die Ausfahrt aus Biarritz respektive Anglet. Erstens topographisch und zweitens verkehrstechnisch. Die vorgelagerten Felsen, die Biarritz so einen exklusiven Anstrich geben, setzen sich eben in der Stadt irgendwie fort. Da geht es steil rauf und runter. Und unten hat es dann meistens eine blöde Ampel, die einem den Schwung wegnimmt. Und dann der viele Verkehr. Bin ich nach Tagen durch die Einsamkeit nicht mehr gewohnt. 

Anspruchsvoll war die Geschichte, die für mich hinter dieser Etappe stehen. Da heisst es Erinnerungen sortieren, aktuelles mit Bildern im Kopf vergleichen, war ich schon mal? Ja? Sah aber anders aus. 

Gerüche sitzen tief. Wer weiss nicht, wie es im Primarschulhaus gerochen hat? Ich weiss nicht, ob es die verbauten Materialien sind, das Putzmittel, das Parfüm der Lehrerin, die das Mass eben nicht so hatte. Ich glaube, es war der Abwart. Er drückte dem Haus seinen Duftstempel auf und machte es zu seinem eigenen. Wenn jemand glaubt, er kann sich nicht mehr erinnern, wie es roch, der gehe mal zurück und fühlt grad wieder das schlechte Gewissen wegen nicht gemachter Ufzgi oder des vergessenen Turnsacks oder des Plauderns mit dem Banknachbarn. 

Hier in Les Landes riecht es auch, nach sommerheissen Nadelwäldern, nach Disteln, nach salzigem Sand – für mich einfach nach Sommerferien. Das war damals das Abenteuer des Jahrs, den Wohnwagen an den Peugeot zu hängen und durch Frankreich zu Rasseln. Anfangs brauchten wir noch zweieinhalb Tage, dann zwei, am Schluss nur noch gut anderthalb. Die Strassen wurden eben schneller.

Und heute, endlich überhitzt angekommen, schlug das Herz höher. Schön wieder mal da zu sein. Letztes Mal war ich eine Nacht hier, diejenige, in der der Halifax-Absturz passierte – das war glaub 1999. Auf dem Campingplatz ist nichts mehr so wie damals. Aber es riecht immer noch. Und der Atlantik rauscht. Der ist immer noch hier und wurde nicht umgebaut. 

Und darum mache ich morgen einen freien Tag hier. Beine baumeln lassen. 

Jemand hat am Strand einen grossen liegenden Engel in den Sand geformt, so richtig schön. Morgen ist er weg. L'ange de la mer. Weiter oben, da wo die Flut nicht hinkommt, kann man so etwas nicht bauen. Der Sand ist zu fein, man muss es da machen, wo es das Wasser innerhalb der nächsten zwölf Stunden mitnimmt. Ist doch schön irgendwie, oder?

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Montag, 13. Mai 2024

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