Schriftgröße: +
7 Minuten Lesezeit (1306 Worte)

Tage fünfundsiebzig bis achtzig: A Present to Stay Present in the City

A98BB35B-CD42-471C-9448-8B19CC89E355

Dublin, Dublin–Cherbourg–Paris–Mulhouse–Baden

Route: Dublin City Centre–Port of Dublin
Port de Cherbourg–Gare SNCF
Paris Gare du nord–Paris Gare de l‘est
Mulhouse–Baden
Tageskilometer: ca.15

Eine Nacht allein im Hostel, da Hansj noch in den Wicklow Mountains unterwegs war. Und ja: wirklich allein. Denn das Dreierzimmer, das ich noch ergattern konnte, hatte ich tatsächlich für mich allein. Ich fand das eine ganz nette Abwechslung. Allerdings: So richtig geniessen konnte ich dann doch wieder nicht, weil ich ja nicht wirklich wusste, ob dann da doch noch irgendwann mitten in der Nacht eine betrunkene Seele hineinstürchelt. Es stürchelte niemand.

Den folgenden Tag verbrachte ich mit gediegenem Nichtstun – nach dem Besuch des Guinness-Museums.

Almost like whisky: Water is the main ingredient of every pint of Guinness.

Eine sehr gekonnt hingeklotzte Promo-PR-Show eigentlich. Aber eben: wirklich sehr gekonnt. In einem alten, riesigen Produktionsgebäude der Guinness Brewery zieht sich die Ausstellung über fünf Stockwerke hin – am Schluss, im sechsten (oder sogar siebten?) Geschoss gibts dann noch ein Probier-Pint. Gratis. Respektive: im recht stattlichen Eintrittspreis halt einfach inbegriffen.

Guinness wurde gegründet von Arthur Guinness – schon eine ganze Weile her – im Jahre 1759. Gemäss den Urkunden unterschrieb Arthur Guinness einen 9000-Jahre-Vertrag über £45 pro Jahr. Die Brauerei wuchs schnell, im Jahre 2011 wurden 850‘000‘000 Liter produziert. Daneben besitzt Guinness unter dem Konzernnamen Diageo noch unzählige andere Bier- und andere Getränkemarken, unter anderem eine ganze Reihe Distlleries in Schottland (Oban, Talisker, Dalwhinnie, Highland Park etc. etc.) – und auch Johnny Walker ist Diageo.



Am letzten Abend, den wir im Temple-Bar-Quartier einaperölten, liess es uns Hansj gutgehen, da er mich nochmals in die Kirche einlud. 

The Church Restaurant and Bar

Am nächsten Morgen, der Hansj schlief noch friedlich, genehmigte ich mir einen Pülverli-Kafi mit exzellentem Mischverhältnis, exquisitem aromaschonenden Granulat optimalster Grösse, idealer Brühtemperatur und einer wohldosierten Portion Zucker. So ist das Zeug wenigstens halbwegs trinkbar. Dann riefen sie mich zur Reception. Ob ich einer der beiden mit den Velos sei. – Ja, ob wir es wohl an einen dummen Ort gestellt hätten? – Weil, die Sache sei eben die: Eines sei weg. – Weg? – Ja. Gestohlen. Polizei sei alarmiert.

Natürlich nahmen sie nicht meines. Das verstanden sie wohl nicht wirklich. Hansjs Velo ist da viel selbsterklärender. Und es stand auch näher am Geländer.

Ich weckte Hansj, der im Halbschlaf mal noch ganz gefasst die Neuigkeiten aufnahm und mich zurück nach unten begleitete.

Sie zeigten uns den Mitschnitt des Diebstahls – die Überwachunskamera hatte funktioniert. Zu viert. Eine Sache von zwei Minuten, ohne den Innenhof zu betreten, hievten sie das Velo samt der einen Tasche raus. Die andere – die mit den Kleidern – hatten sie schon aufgeschnitten und dann liegen gelassen. Campingausrüstung war jedenfalls weg. Und das in der allerletzten Nacht vor der Heimreise. Echt jetzt?

Um etwa elf Uhr kam die Polizei, Hansj gab den Preis der mitgeführten Campingartikel auf drei Stellen hinter dem Komma genau an – ich konnte ihn grad noch bremsen, das Gewicht auch noch mitzuteilen auf Zehntelgramm genau.

Danach war fertig Gelassenheit. Und Hansj hatte ganz übel schlechte Laune. 

Einziger Trost: Es geschah nicht am helllichten Tage, aber in der allerletzten Nacht. Und eigentlich brauchten wir die Velos nicht mehr – für die Reise jedenfalls nicht mehr. Und: Hansj musste nun sein Velo nicht mehr in den Zug verladen. 

Last evening, last pub, last pint of Guinness – we had an early night though.

Zur Fähre durfte er dann das Taxi besteigen, während ich die sieben Kilometer zum Port of Dublin unter meine Nevi-Räder nahm. Und beim Hafen stand sie dann, die Mauer namens W. B. Yeats, unsere Fähre halt. Ein Riesending. 

Mein Velo stellte ich in den Bauch des Schiffs, da drin hätte eine ganze Velofabrik Platz gehabt.


Room with a view: Two-berth cabin on the W. B. Yeats
Fare thee well, Dublin.

Und dann hoch zur Kabine. Mit Fenster. Mit Fernseher (für den Fall, dass es dunkel sein würde). WC, Dusche. Und die Kneipe für das Znacht einfach einen oder zwei Stöcke höher. Nicht ganz so gemütlich wie alle die Pubs. Aber ganz nett.

Wir waren müde, hatten so viel gesehen in den letzten Wochen, Hansj noch Entwicklungshilfe geleistet mit dem Überlassen des Velos, darum waren wir dann auch früh in unserer Koje und schliefen durch und träumten von Inseln, Häfen und Causeways, von Midges und Schafen, von Wiesen und Klippen, von Whisky und Bier, Seafood und Haggis, von den steilsten Auffahrten, den rasantesten Abfahrten und den coolsten Kurven, den schönsten Pubs und den malerischsten Zeltplätzen, von zu schwach geratenem Kaffee (oder ist es einfach ein übler Schwarztee?), von Sonnenuntergängen und einem -aufgang, von Rücken- und Gegenwind, von Kolonnen von Wohnmobilen, von Distilleries, von unruhigen Hostel-Nächten, von einsamen Buchten, spiegelglattem Wasser, hohen Wellen, von lauen Lüftchen und stürmischen Nächten, von kühlem, nassem Gras und warmem Zmorgekafi mit Porridge dazu, von . . . Und auf einmal war es Morgen.

Arrival in Cherbourg.

Wir genossen ein bisschen den Morgen an Deck – recht warm war es –, während wir recht nahe an der französischen Küste durch den English Channel cruisten, nachdem wir vorher um Land‘s End im Westen Englands gekurvt sein mussten.

Ein bisschen nervös dann beim Zmorgen, für mich noch ein letztes Mal so ein Ritual mit Bacon and Eggs, Beans, Fried Tomatoes und was halt alles so zu einem British/Irish/Scottish oder Was-auch-immer-Breakfast gehört. Denn die Zeit zwischen Fähre und Zug war recht knapp bemessen, Tickets hatten wir auch noch keine, und wie ich mein Velo da in den Zug reinbringe, wusste ich ja auch noch nicht.

Hansj seinerseits musste als Fusspassagier vom Schiff. Zusammen mit unserer Fährbekanntschaft aus Bern suchte er sich ein Taxi, da die Frenchies es nicht schaffen, einen Bus ins eigentlich nahe Stadtzentrum anzubieten. Luftlinie nah, aber mit dem Umweg durch den Hafen kommen eben auch wieder ein paar Kilometer zustande. Häfen haben eben die Tendenz recht weitläufig zu sein.

Ich erreichte den Bahnhof zeitig, konnte gemütlich die Tickets nach Mulhouse lösen, doch die beiden anderen riefen mich an, da sie vergeblich auf das Taxi warteten. Schliesslich machten sie Autostopp, respektive: Sie kaperten sich ein Auto mit Fahrer für 20 €. Und kamen drei Minuten vor Zugabfahrt aufs Perron zu keuchen. Für mich das Zeichen zum Aufhängen des Velos. 
Regional Züge sind tifig in Frangcreisch. Gut zwei Stunden später umsteigen in Paris.
Die beiden Fussgänger (sorry Hansj) per Metro, ich durch den Verkehr. Aber ziemlich zielsicher, dank Google Maps.

Dann verpassten wir noch fast den Zug, weil die viereinhalb Stunden bis Mulhouse (Ankunft um etwa 23.20) nicht auf dem Trockenen sitzen wollten. Und in Mulhouse dann, da wartete ein strahlender Niggi auf uns, der uns mit meinem VW-Büsli sicher nach Hause brachte. Privattaxi durch die Nacht. Heim nach Baden. Etwa um ein Uhr nachts war unser Abstecher Geschichte. Sie begann im September 2020 in Flims, als wir nach dem zweiten Bier zu viel die Idee gebaren.
Gare de Mulhouse, ca. 23.25, nach einem Reisemarathon: Niggi hat sich bereit erklärt, uns mit dem Büsli in Mulhouse abzuholen und nach Hause zu fahren.
1
Tage zwei- bis vierundsiebzig: Gezügelt
 

Kommentare

Derzeit gibt es keine Kommentare. Schreibe den ersten Kommentar!
Mittwoch, 01. Mai 2024

Sicherheitscode (Captcha)