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Tag 6, 7. Juli. Ein flotter Musicaldreiakter mit dramaturgischen Unzulänglichkeiten

Tag 6, 7. Juli. Ein flotter Musicaldreiakter mit dramaturgischen Unzulänglichkeiten

​Ein dramatisches Lustspiel 

​Route: Céret–Ripoll ​Wetter: heiss, dann gewittrig ​Wind: wenig
​Tageskilometer: 91,5
​Zeit: 20:15
​​Geschwindigkeit: 19,5

Das Opening: Ein sonniger Morgen, die Temperaturen im grünen Bereich. Ich nehme noch ein kalorienreiche Essenskäufe vor (Freitagsgruss), um für Höhen und Tiefen der heutigen Etappe gewappnet zu sein, und rolle dann gemütlich aus dem gemütlichen Städtchen Richtung Berge. Im Opening muss alles aufgegleist werden, in den ersten Minuten müssen die wesentlichen Merkmale des Stücks vorgestellt werden: Seidenweich gehts bergan, dazwischen ein paar giftige Steigungen – immer nur kurz, es soll ja noch niemand erschreckt werden, ein Stich in die Tiefe, bei dem ich stutzig werde beim Bremsen, ist ja aber auch sausteil. 

Im ersten Akt schlängelt sich die Veloroute ins langsam enger werdende Tal hinein. Zum Teil führt die Route auf einem alten Bahntrassee, zum Teil auf der alten Strasse. Wir folgen dem Flüsschen Le Tech. Grün die Landschaft, warm die Sonne, die Nase im Wind. Einfach nur super. Merrilly We Roll Along. 

Pausen sind das a und o. Übrigens auch in der Musik. Die banalste Melodie bekommt durch eine Pause das gewisse Etwas. Die erste mache ich in Arles-sur-Tech, ein hübsches Dörfli auf dem Weg nach oben. Die zweite in Le Tech, einem noch kleineren Dörfli. Und die dritte in Prats de Mollo. Da gibt es dann auch Zmittag, in der Beiz, weil es grad so einladend aussieht. Die Kuh war glaub eine Sportskanone. Everything's Allright. 

Die Strecke bis hierhin ist nicht ohne. Immer ein bisschen bergauf, aber alles in total angenehmem Rahmen. Schwitzen ja, nur kurze Abschnitte so in Richtung wirklich anstrengend, sonst flauschig, flowig, rollig. Easy Sound. Stay Cool, Boy! Und die Finger schnippen. Das Unheil ist trotzdem präsent. Aber das Zmittag tut gut. Und ist nötiger als . . . Cliffhanger zum zweiten Akt. . . .

gedacht. Oben an Prats de Mollo beginnts nun so richtig. So mit allem. Steil. Heiss. Noch ein bisschen steiler. Die Bässe grollen, die Gitarren fauchen, die Violinen giftig obendrüber: Das Lied berichtet von Kampf, von Durst, von Erschöpfung, von der Angst, im eigenen Schweiss elendiglich zu ertrinken. Und die Vermutung, dass das alles mit der Passhöhe noch nicht sein versöhnliches Ende nehmen wird, wird zu Gewissheit: die Bremse. Das wird zur Zitterpartie. Viel ist nicht mehr da, was Zuversicht verströmen könnte. The Ballad of Sweeney Todd, Hardrock-Version. 

Kilometer um Kilometer ist angegeben, wie steil die durchschnittliche Steigung ist. 5,5%, 8,5%, 4,3%. Ich bin immer aufs nächste Schild gespannt. Dreizehn sind es. Doch es dauert jeweils lange, bis ein Kilometer vorbei ist. Und wenn ich anhalte, jagt der Puls durch den Hals den Kopf hinauf. Und heiss. Überall. Bis sich endlich die Wolken vor die Sonne schieben. Dann geht es grad wieder ein bisschen leichter. Some Like it Hot.

Entreacte: Donnergrollen

Akt drei: Irgendwie, ich schaff es doch noch. Spanien. The Man of La Mancha. Geographically incorrect, but who cares? 

Aber eben, die Abfahrt . . . Auf die freue ich mich gar nicht. Weil die Vorderbremse ihren Namen nicht mehr verdient. Und das ist gelinde gesagt: scheisse. Und gefährlich. Ich werde ganz sachte runterfahren müssen, und das tut dann eben der anderen Bremse auch nicht gut. Immer wieder anhalten, bei jeder Kurve hoffen, dass es nicht noch steiler wird. In Molló klären mich andere Biker auf, dass es im nächsten Städtchen einen Velomech hat, der mir helfen kann. Life Is a Cabaret. 

Stimmt, aber der der Mech ist grad nicht da, nur ein Verkäufer. Aber dank Berzito, meinem Lieblingsvelomech, weiss ich ja, wie es geht. Und helfe mir einfach selbst. Und am Schluss bedankt sich der Verkäufer bei mir, weil er mir zuschauen konnte. Hoffentlich mache ich es richtig. Sonst . . . I'm Getting My Act Together. 

Grande Finale: Los mit vollgebremster Maschine, mit konstant dreissig bis vierzig Sachen runter nach Ripoll rocken. Die Pneus singen zusammen mit dem Wind eine Fuge. Everything's Coming up Roses. Die Einfahrt in Ripoll mit fulminantem Schlussakkord. Undezime mit allem Blech, das sich die Produzenten leisten können. Hostal. Zelten gern wieder mal, wirklich. Aber heute nicht. Znacht im Städtchen. Ruhig. Vorhang. Exit Music.

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Tag 7, 8. Juli. Von Pässen und Regeln
Tag 5, 6.Juli. Vorschlag Tauschgeschäft
 

Kommentare 4

Gäste - Marlis am Freitag, 08. Juli 2016 09:10

Du DD, das ist wunderbar ein bisschen mit dir mitfahren zu können! Thx!

Du DD, das ist wunderbar ein bisschen mit dir mitfahren zu können! Thx!
Gäste - Harald am Freitag, 08. Juli 2016 13:35

Hallo, Didius,
Macht Spass wie letztes Mal, das Mitlesen...
Das Musical besonders.
Wer ist eigentlich der Pööt von uns, hä?
Mehr bitte!
Lieben Gruss, Haraldius

Hallo, Didius, Macht Spass wie letztes Mal, das Mitlesen... Das Musical besonders. Wer ist eigentlich der Pööt von uns, hä? Mehr bitte! Lieben Gruss, Haraldius
Gäste - Dagmar am Freitag, 08. Juli 2016 18:51

Generalprobe bestanden - ersten Pass geschafft und Velo ganz - da bin ich aber froh, sehr froh.
Und gut hast das Bett gewählt

Generalprobe bestanden - ersten Pass geschafft und Velo ganz - da bin ich aber froh, sehr froh. Und gut hast das Bett gewählt :)
Didi am Freitag, 08. Juli 2016 21:23

Ja, Dagmar: Bremsen und erste Pässe scheinen irgendwie nicht so wirklich kompatibel zu sein. Kam mir aber schon eher doof vor, so mit 20 runterzuhötterlen. Und trotzdem immer wieder anhalten zu müssen, um die Hinterbremse zu schonen. Heute war das mit der Bremse nur ganz selten ein Problem gewesen. Es ging einfach bergauf.

Ja, Dagmar: Bremsen und erste Pässe scheinen irgendwie nicht so wirklich kompatibel zu sein. Kam mir aber schon eher doof vor, so mit 20 runterzuhötterlen. Und trotzdem immer wieder anhalten zu müssen, um die Hinterbremse zu schonen. Heute war das mit der Bremse nur ganz selten ein Problem gewesen. Es ging einfach bergauf.
Sonntag, 28. April 2024

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