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Tag 21, 22. Juli. Froh

Tag 21, 22. Juli. Froh

​Unzusammenhang 

​Route: Lagruère–Agen–Moissac–Toulouse ​Wetter: bedeckt, am Abend Gewitter ​Wind: wenig
​Tageskilometer: 169,6
​Zeit: 75:54
​​Geschwindigkeit: 23,9

Einfach nur froh. 

Dass ich angekommen bin 

Dass es draussen regnet. Und ich bin drinnen. So ein richtiges Gewitter beginnt sich grad zu entladen, als ich hungrig und müde vor einem Kebab-Schuppen vorbeimarschiere. 

Dass der Verlag unter kleinen Auflagen meine Musicalübersetzung akzeptiert. 

Aber der Reihe nach: 

Ja, irgendwie zweifle ich heute morgen noch, dass ich es bis Toulouse schaffe, sind es doch zwanzig Kilometer mehr, als ich gestern gemeint habe. Gestern habe ich gemeint, es seien 140. Und 160 sind schon grad ein bitzeli gar viel. Ich entscheide mich, es mal anzugehen, und plane so ein bisschen grob, wie ich mir das einteile. Die ersten zwei Drittel als zwei Teile, und dann das letzte Drittel auch in zwei Etappen. Wo dann genau die Halte sind . . . Augen offen halten, dort, wo es eine Gattig macht und jemand Kaffee, ist sicher nicht ungünstig.

Ich komme gut vorwärts. Ist auch nicht schwierig heute. Alles dem Kanal nach. Und das bei bedecktem Himmel und erst noch unter den Bäumen. Die Karte brauche praktisch nicht. Das mit dem Kanal ist ja ziemlich selbsterklärend. Wenn es nass wird von unten, habe ich was falsch gemacht. Sonst einfach immer dem Weg nach. 

Die Verkehrswegthematik von gestern kriegt noch einen draufgesetzt: Während ich am Kanal ein Segelschiff überhole (den Mast natürlich gekippt und unter Motor, Feigling!), überholen mich auf der Strasse nebenan Autos und Lastwagen, die ihrerseits vom TGV überholt werden. Auf der anderen Seite fliesst die Garonne bedächtig und ein bisschen zäh dem Meer entgegen. Und dann kreuzt der Kanal auf einer Brücke den Fluss. Sieht cool aus, so eine Wasserbrücke. Wie eine ganz grosse Badwanne irgendwie. Auf Stelzen. 

Alles in allem wird die Fahrt dem Kanal entlang aber irgendwann mal langweilig. Keine Kurven, keine Steigungen, kein Gefälle. Nur Wasser, Bäume die die Wasserrine säumen, hin und wieder andere Tourenfahrer mit oder ohne Kinder, Rennvelöler, Wanderer und Hündeler. Und trotzdem schön, in hohem Tempo an Schleusen, kleinen Flusshäfen, Zeugen alter Industrie vorbei und unter unzähligen Brücken hindurch. 

Die erste Pause bei Kilometer (glaub) 42, die zweite bei 92 in Moissac, das ist eine Stadt mit Kloster und einer Orgel in der St-Pierre-Kirche, deren Bässe die tausendjährigen Mauern erschüttern lassen. Ist immer wieder cool, wenn in einer Kirche grad jemand am Spielen ist. 

Und da treffe ich auch noch den Peter aus Slowenien, der mit einem Liegetrike mit Anhänger unterwegs ist nach Portugal. Ich gebe ihm auch noch ein paar Tipps, die ich von der Reise mit Dagi (da war doch eben diese Pyrenäenlücke, die ich schliessen wollte . . .). Einer davon war, dass er doch bitte sein Trike abschliessen soll, wurde doch mein Tandem aus der gleichen Liegeveloschmiede ungefragt auf unbestimmte Zeit ausgeliehen. 

Mit dem feinen Sandwich habe ich wieder Energie, und dank einem Lüftchen von hinten schräg komme ich flott voran. Aber irgendwann, so bei Kilometer 135, ist die Luft dann so langsam wieder weg, ein Eistee muss her. Und ein Kafi. 

Die letzten 25 Kilometer entpuppen sich als dreissig und werden dann kurzerhand zu vierzig upgegradet. Warum weiss i au nöd. Aber da muss ich durchbeissen. Irgendwann nothalte ich, um das einsame Twix aus der Tasche hervorzukramen. Mit dem Zuckerflash schaff ich es dann auch nach Toulouse, wo das Hotel meiner Wahl auch ein Zimmer für mich hat.

Zum Glück habe ich die Idee mit dem Campingplatz zehn Kilometer vor Toulouse nicht weiterverfolgt. Ich würde mich ja grünblau ärgern, wenn ich jetzt im Regen nächtigen müsste. Wenn die heftigen Gewitterböen das Zelt nicht sowieso schon fortgeblasen hätten. 

Und das mit der Übersetzung: Was mir auf dieser Tour nicht gelungen ist, ist, die Tour mit Dagmar zu verknüpfen mit der Schottlandtour mit Nik und Michi (der Blog dazu auf www.michael-joos.ch). Da war ja mal die Idee, nach den Pyrenäen weiter nach Bilbao und da auf die Fähre nach Portsmouth und da Richtung Nordengland, um die Fähre von Newcastle nach Amsterdam zu nehmen. Das wäre, wie schon beschrieben, zu zeit- und geldaufwendig geworden. Aber: Auf beiden vorherigen Touren habe ich intensiv an der Musicalübersetzung gearbeitet: Auf der Schottlandtour  entstanden die ersten Fragmente, auf der Tour mit Dagi die letzten. Da habe ich dann vor allem bearbeitet, kontrolliert, verbessert, ergänzt, überarbeitet – ja, und die eine oder andere knifflige Passage endlich in Angriff genommen. Dass der Verlag nun das OK gibt, schliesst die drei Touren zwar nicht geografisch, dafür in einer Art inhaltlich zusammen.

Ich hoffe, ich kann das dem Stephen in New York mal noch mitteilen und mich bei ihm bedanken.

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Tag 22, 23. Juli. Doch noch gefunden
Tag 20, 21. Juli. Le tour de la Garonne – la suite
 

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Samstag, 04. Mai 2024

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