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Tag 24, 26. Juli. Schnapszahl

Tag 24, 26. Juli. Schnapszahl

​Passgenau und zur rechten Zeit

​Route: Agde–Marseillan–Loupian–Poussan–Lavérune–Montpellier ​Wetter: heiss ​Wind: immer noch stark, aber  . . .
​Tageskilometer: 55,5
​Zeit: 89:28
​​Geschwindigkeit: 19,9 km/h

Als ich mein Radl um halbzwei vor dem "Nova" in Montpellier an die Wand lehne, zeigt der Kilometerzähler 55,55 an. Wäre ja schade, die hätten das günstige Zimmer nicht mehr, das ich gestern auf dem Internet gesehen habe. Sie haben es noch. 

Ich tue gut daran, heute Morgen einigermassen zeitig loszukommen, es wird sehr schnell sehr viel wärmer. Ich habe mir eine Route zurecht gelegt, sodass ich mit möglichst wenig Hauptstrassenverkehr auf Montpellier zusteuern kann. Über Stadt und Land sozusagen, querfeldwegein, Teersträsschen mit einer gewissen Offroadqualität. 

Das heisst aber auch, dass ich bei jeder zweiten Kreuzung die Karte auf dem iPad konsultieren muss, damit ich nicht ins Nirvana gerate. Zeit will ich auch nicht allzu viel verlieren, denn es wird nicht kühler. Da es die letzte Etappe ist und ich gestern ja auch dafür gesorgt habe, dass die nicht mehr allzu lang ist, nehme ich mir aber zwei, drei Einkehrpausen heraus, wo ich mich in den Eistee- und Kaffeeschänken bewirten lasse. 

So gelange ich auch in die Zentren der kleinen Orte, die mehr Leben aufweisen als manche der Ferienorte, die ich auf meiner Tour durchquert habe. Hier ist Frankreich so wie früher. Petanque, Gauloise blau, ein Gläschen Pastis, Rot- oder Weisswein schon vor dem Mittagessen. Da fehlt eigentlich nur noch der Sound eines Döschwos – die sind schon sehr selten geworden –, das asthmatische Surren der Quattrelles (Renault 4L) oder der Anblick alter Peugeots. Nicht mal die Polizei fährt noch Franzosen. Wo sind wir denn da? Die blauen Renaults der Gendarmerie, ich meine, die gehörten doch unter Schutz gestellt oder sogar nachgebaut. 

Da, wo ich es gar nicht erwarte, schmeisst es mich dann doch noch auf eine Hauptstrasse, eigentlich nichts Wildes, aber recht schmal, recht gradaus und nicht zu knapp Verkehr. Und die wollen eben alle schneller, als ich kann. Und das gibt dann einen Interessenkonflikt. Vor allem beim Überholen. Wenn was entgegenkommt, müssen sie sich halt ein bisschen näher an mich schmiegen, denken sie. Und ich finde, sie könnten doch einfach rasch warten. Bis es halt genug Platz hat. Und zum Diskutieren ist es a) zu blöd und b) zu heiss. Der Grossverkehr geht dann auf die Autobahn. Ich nicht. 

Zielgenau fahre ich auf der Rue de Lavérune nach Montpellier rein, muss nur noch zwei Mal die Karte nehmen und stehe vor dem Hotel. Ein bisschen Wehmut ist schon dabei. Aber es ist jetzt auch gut so. Ausserdem verheisst die Wetterprognose weiter zunehmende Hitze. Und bei den Temperaturen fährt es sich nicht so gut Velo. Ich genehmige mir nochmals ein Nachtessen im Restaurant vom ersten Abend, dem "Bouchon de St-Roch" resp. "Café de La Mairie", geniesse noch den warmen Abend, lasse mich ein bisschen treiben vom Wind, der mir in den letzten Tagen so geholfen hat (heute übrigens nicht, da waren wir uns in der Richtung nicht so einig). 

Der Wind treibt Klänge zu mir, denen ich folge. Grad um die Ecke spielt ein Duo italienische und französische Chansons – Gesang, Gitarre und Bass. Ganz ruhig, nicht so auf überfrohe Laune getrimmt, wie es sonst bei Strassenmusik häufig vorkommt. Der obligate Hut in Rot vorne dran, und weil sich die Zeiten geändert haben, steht schön in Szene gesetzt auf einer Fussstütze auch noch ein Kreditkartengerätli. Ich zahle aber trotzdem bar.

Stay tuned for the last entry.

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Freitag, 26. April 2024

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